Die beiden Arbeiten Flaka Halitis für das Billboard befragen gesellschaftliche und politische Deutungshoheiten und blicken auf das Wesen von Gesellschaften als Aushandlungsorte unterschiedlicher, zum Teil widersprüchlicher Vorstellungen, Werte und Wahrheiten. Im Fokus steht das Nachdenken über unsere gegenwärtigen Utopien sowie Realitäten seit 1989.
„Whose Utopia we shall return to“ stellt die Künstlerin auf der einen Seite in den Raum – auf wessen und auf welche Version von Utopie wollen wir uns berufen? Der Satz erscheint auf einer Collage unterschiedlicher soziopolitischer und aktivistischer Bewegungen, Zeichen und Forderungen. Darin beinhaltet ist sowohl die Frage, welche Ideen, Perspektiven und Visionen in unserer Gesellschaft zum Tragen kommen. Wer und was wird gehört, gesehen und repräsentiert, oder eben nicht? Zugleich ist das Motiv auch ein Vorschlag, sich dem Begriff der Utopie aus unterschiedlichen Perspektiven zu nähern – als Möglichkeitsraum vielfältiger und multipler Wahrheiten jenseits der Dominanz einer „westlich“ ausgerichteten Idee von Politik und Gesellschaft.
Mit den Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen, die westliche Industriestaaten vorgeben, beschäftigt sich auch die zweite Seite des Billboards. „I’m imitating you, but you are changing all the time“ spielt auf die Entwicklungen osteuropäischer Staaten nach 1989 an, die – so die Künstlerin – danach streben, ein vermeintliches Ideal zu erreichen, das jedoch stets entgleitet. Demokratie und Marktwirtschaft werden als Kriterium und zugleich Garant westlichen Lebensstandards verstanden – oder zumindest angenommen. Ironisch spielt die Künstlerin mit dem Bild einer Giraffe als Symbol für das Strecken nach dem silbernen Horizont. Flaka Haliti beschreibt einen Weg zu Modernisierung, der über Imitation verläuft, während die erhoffte Integration der Staaten nicht selten in Assimilation mündet. Die Arbeit deutet an, dass diese Nachahmung das Risiko eines Identitätsverlusts und eines Gefühls des Scheiterns am scheinbar ständigen Wandel und Hochmut der westeuropäischen Nachbarn in sich trägt: „I’m imitating you, but you are changing all the time“.
Flaka Haliti, geboren 1982 in Pristina, Kosovo, lebt und arbeitet in München.