Reconstructing Future

Dellbrügge & de Moll

26. Aug — 11. Sep 12

Stadtraum

Das Bild zeigt eine im Olympiastadion aufgenommene Fotografie. Hinter der letzten grünen Stuhlreihe unter dem Zeltdach laufen Performer*innen in einer Reihe hintereinander und halten sich dabei an den Händen. Jede*r Performer*in trägt einen einfarbigen Overall, deren Farben reichen von Orange und Grün zu Blau, Silber und Gelb.

Reconstructing Future, 2012 © Foto: Dellbrügge & de Moll © VG BILD-KUNST

Das Projekt des Künstlerduos Dellbrügge & de Moll bezieht sich auf die XX. Olympischen Spiele 1972, die einen Wendepunkt im Umgang mit dem öffentlichen Raum markierten.

Vom 26.08. – 11.09.2012, wenn sich die Spiele zum 40. Mal jähren, werden 40 Protagonist*innen in Münchens Straßen unterwegs sein, um mit ihrer Präsenz und ihren Performances den Zeitgeist von damals zu neuem Leben zu erwecken. Sie tragen Kostüme der Designerin Anna Sophie Howoldt in Orange, Gelb, Grün, Himmelblau und Silber – zeitgenössische Interpretationen der Outfits, die André Courrèges für die Mitarbeitenden der Olympiade entworfen hatte. Entlang wechselnder Routen entstehen Interaktionen, die sich an den Handlungsanweisungen der Ordnungskräfte von 1972 orientieren.

1972 – alles schien möglich. Die Zukunft stand weit offen und leuchtete in den Farben des Regenbogens. Als ‚heitere Spiele‘ konzipiert, schufen die XX. Olympischen Spiele ein neues Deutschlandbild. Nie zuvor hatte es ein so umfassendes visuelles Gesamtkonzept gegeben. Von Architektur und Städteplanung reichte es bis ins kleinste Detail des Corporate Design. Im ganzheitlichen Gestaltungsansatz des Designers Otl Aicher und in den neuen ordnungspolitischen Ansätzen der Münchner Polizei ging es nicht um Ordnung um jeden Preis, sondern um eine gelöste Atmosphäre. Was sich als Wechsel von einem autoritativen zu einem emanzipatorischen Umgang ankündigte, fand durch den Anschlag auf die israelischen Mannschaft ein jähes Ende. Innenpolitische Hardliner gewannen wieder die Oberhand. Der deutsche Herbst brach herein, eine bleierne Zeit.

Der kurze historische Augenblick, in dem sich ein Fenster in eine mögliche Zukunft öffnete, wird durch das Projekt „Reconstructing Future“ wiederbelebt. Die Künstler*innen Dellbrügge & de Moll gehen wie Restaurator*innen vor, die unter dem Schutt der Geschichte ein kleines Element freilegen und mit frischer Farbe neu zum Strahlen bringen. Die Intervention verweist auf den Verlust einer möglichen Zukunft und macht bewusst, dass gesellschaftliche Wirklichkeit relativ und verhandelbar ist.

Christiane Dellbrügge, geboren 1961 in Moline, lebt und arbeitet in Berlin. Ralf de Moll, geboren 1961 in Saarlouis, lebt und arbeitet in Berlin.