Der heutige Wohnkomplex an der Weißenseestraße 7–15 diente während seiner Entstehungsphase als ehemaliges Außenlager Agfa-Kommando des KZ-Dachau. Von 1944 bis kurz vor ihrer Befreiung am 20. April 1945 waren dort etwa 550 weibliche Häftlinge untergebracht; mehrheitlich politische Gefangene aus den Niederlanden und Frauen aus Osteuropa – hauptsächlich Polinnen, die als Vergeltungsmaßnahme des Warschauer Aufstandes verschleppt wurden. Etwa 500 dieser Frauen arbeiteten im benachbarten Agfa-Camerawerk als Zwangsarbeiterinnen für die Rüstungsindustrie im NS-Staat.
Mit seinem Kunstprojekt „KAMERA“ macht Alexander Steig mittels einer Skulptur und einer Veranstaltungsreihe auf die historische und heute wenig bekannte Besonderheit der Wohnanlage und das Thema Zwangsarbeit für das Münchner Agfa-Kamerawerk in Giesing aufmerksam.
Vom 24. September bis 22. Oktober ist auf dem Grünstreifen Weißenseestraße 7 ein dunkler, rechteckiger Baukörper zu sehen, der an ein Kameragehäuse erinnert. Die Platzierung der Installation orientiert sich an der ehemaligen Lagerumgrenzung . Das Lager war mit einer Stacheldrahtumzäunung und vier Wachhäusern an den Außenseiten versehen. Agfa, ein Unternehmen der chemischen Industrie damals mit Sitz in der Tegernseer Landstraße 161, produzierte neben dem Rollfilm auch Fotoapparate und Filmkameras. Der Titel des Projektes „KAMERA“ nimmt darauf Bezug.
Die Firma Agfa hat sich an der bundesdeutschen Initiative zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter (2000 – 2007) finanziell beteiligt.
Ergänzend zu seiner Intervention findet in Kooperation mit dem Kulturzentrum Giesinger Bahnhof ein Begleitprogramm statt. Ein Vortrag informiert über das Thema Zwangsarbeit bei Afga, historische Hintergründe und aktuelle Wahrnehmung, eine Podiumsdiskussion thematisiert Gedenk- und Erinnerungskunst. Die Lesung eines Zeitzeuginnenberichtes der Niederländerin Hendrika Jacoba (Kiky) Gerritsen-Heinsius mit Einführung gibt Einblicke in den Arbeits- und Lageralltag der Zwangsarbeiterinnen und ein Rundgang führt an die historischen Orte. Zusätzlich informiert eine Info-Box der Stadt München vor Ort über das Projekt.
Alexander Steig, geboren 1968 in Hannover, lebt und arbeitet in München.